SWEG startet Probebetrieb eines Brennstoffzellenzuges auf der Zollernalbbahn

Premiere in Baden-Württemberg soll beitragen, den lokal emissionsfreien Zugverkehr weiterzuentwickeln

Die Eröffnungsfahrt am 12. Juli 2021 führt von Hechingen nach Gammertingen (Foto) und zurück.

Erstmals kommt in Baden-Württemberg ein mit Wasserstoff betriebener Zug im regulären Betrieb zum Einsatz – und zwar von Mitte Juli 2021 an auf den Zollern-Alb-Bahnen. Verantwortlich dafür sind das baden-württembergische Verkehrsministerium, der Fahrzeughersteller Alstom und die Südwestdeutsche Landesverkehrs-AG (SWEG). Das Brennstoffzellenfahrzeug vom Typ Alstom Coradia iLint wird für die Dauer des Probebetriebs bis voraussichtlich Ende Februar 2022 einen Zug aus der derzeitigen Dieselflotte der SWEG ersetzen. Fahren wird er vor allem auf den Strecken Eyach – Hechingen beziehungsweise Hechingen – Gammertingen – Sigmaringen. „Mit den Erfahrungen im Echtbetrieb können alternative Antriebe weiterentwickelt und ihre Marktreife verbessert werden“, sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann am Rande der Eröffnungsfahrt für geladene Gäste und Medienvertreter, die am Montag, 12. Juli 2021, von Hechingen nach Gammertingen und zurück führte. Minister Hermann weiter: „Moderne Mobilität muss klimafreundlich sein. Daher hat das Land ein umfassendes Elektrifizierungskonzept für die Bahn erstellt. Wo eine Elektrifizierung nicht möglich ist, sind Triebwagen mit Brennstoffzelle oder batterieelektrische Wagen die moderne Antwort auf Dieselloks. Zwei gute Gründe warum wir neue Technologien fördern: Sie sind lokal emissionsfrei und die Triebwagen sind geräuscharm – ein Plus für die Anwohner.“ „Gemeinsam mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg und der SWEG machen wir heute einen wichtigen Schritt für mehr nachhaltige Mobilität in der Region“, sagte Müslüm Yakisan, Präsident von Alstom in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „In den vergangenen drei Jahren haben wir mit dem Coradia iLint umfangreiche Erfahrungen im regulären Linienbetrieb gesammelt, in Deutschland ebenso wie im europäischen Ausland. Jetzt freuen wir uns darauf, diese Erkenntnisse in den Probebetrieb auf den Zollern-Alb-Bahnen einzubringen und den Passagieren eine neue Art des Fahrkomforts zu ermöglichen – zuverlässig, geräuscharm und vor allem völlig emissionsfrei.“ Der SWEG-Vorstandsvorsitzende Tobias Harms sagte: „Die SWEG steht nicht nur für Qualität, sondern auch für Innovation. Insofern ist es folgerichtig, die SWEG als Landesgesellschaft mit der Durchführung dieses spannenden Projekts zu beauftragen. Wir stehen vor der Frage, wie künftig in Regionalnetzen lokal emissionsfreier Zugverkehr angeboten werden kann. Uns ist es wichtig zu erfahren, ob es fahrzeugseitige Alternativen zur klassischen Elektrifizierung des Schienenwegs gibt.“ Wie alltagstauglich der Coradia iLint ist, muss er nun sowohl während warmer als auch kalter Jahreszeiten zeigen. Auch die anspruchsvolle Topografie der Schwäbischen Alb mit ihren Steigungen ist eine Herausforderung. Ein externer Sachverständiger wird das Projekt begleiten, um die Erkenntnisse zur Weiterentwicklung und zur betrieblichen Optimierung des Zuges nutzen zu können.

Verschiebung des Projektstarts um zweieinhalb Monate

Eigentlich war der Start des Probebetriebes bereits am 1. Mai 2021 geplant. Die Verschiebung auf Mitte Juli 2021 lag an Verzögerungen seitens des ursprünglich geplanten Lieferanten des Wasserstoffs. Mit Air Liquide wurde inzwischen aber ein alternativer Lieferant gefunden, der für das Projekt die Versorgung mit grünem Wasserstoff und die mobile Wasserstofftankstelle am Bahnhof Hechingen Landesbahn bereitstellt. „Aufgrund seiner Vielseitigkeit ist Wasserstoff ein Schlüsselelement für die Energie- und Verkehrswende“, sagt Frédéric Minaud, Direktor Wasserstoffenergie für Zentraleuropa bei Air Liquide. „Wir sind stolz, mit unserem Know-how maßgeblich dazu beizutragen, dass Wasserstoffmobilität auf der Schiene Wirklichkeit wird.“

So funktioniert die Technik

Der Coradia iLint von Alstom ermöglicht geräuscharme und komplett emissionsfreie Mobilität, denn er stößt nur Wasser, überwiegend in Form von Wasserdampf, aus. Er verfügt neben zwei Brennstoffzellen, die Wasserstoff und Sauerstoff zu Strom umwandeln, zusätzlich über Batterien, die die beim Bremsen entstehende Energie speichern. Mit dieser klimafreundlichen Technologie lassen sich Strecken, bei denen der Bau von Oberleitungen zu schwierig oder zu langwierig ist, noch umweltfreundlicher befahren. Ein vollgetankter Coradia iLint hat eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometern.

Die Vorgeschichte

Den Coradia iLint testete die SWEG bereits im Januar 2019 bei einer einmaligen Sonderfahrt von Offenburg nach Freudenstadt – es war der erste Einsatz dieses Zuges in Baden-Württemberg überhaupt.  Zuvor hatten der Aufsichtsrat und der Vorstand der SWEG im Oktober 2018 eine Fahrt mit dem Fahrzeug in Niedersachsen unternommen, wo das Fahrzeug von den Eisenbahnen und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser GmbH (evb) seit September 2018 im regulären Fahrgastbetrieb im Weser-Elbe-Netz betrieben wird.